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Ich breite meine Schwingen aus und fliege

Erschienen in der Zeitschrift LICHTWELLE, Zürich (Dezember 2013) und im Magazin KÖRPER GEIST SEELE, Berlin (März 2013)

 

Es war zu Beginn des letzten Jahres, als ich spürte, dass mein Engel in mir Platz nahm.

Ich saß an den Homöopathie – Tagen in der Samuel-Hahnemann-Schule in einem Vortrag meines Schamanenlehrers Andreas Krüger. Er referierte über homöopathisches Heroin. Leitsymptom: Weint um einen Engel. Ich fühlte mich unendlich tief angesprochen und berührt. Ich wusste mit meinem Herzenswissen, hier erzählt einer eine Wahrheit, die auch die meine ist und von der ich bis zu dieser Stunde nicht wusste, dass es sie gab.

Mir wurde gewahr, dass ich bereits mein ganzes Leben lang um meinen Engel geweint hatte. Ich wurde verzehrt von der Sehnsucht nach dem Licht des Engels. Eine unendliche Sehnsucht, die mich verbrannte. Ich hörte auch: „Gesegnet ist der Mensch, der Engel hat um die er weinen kann.“ Die Sätze „Unter Wunden wirst du Wunder sehen“ und, auf das homöopathische Heroin bezogen, „Nur die Sache, die die Wunde schlug, kann die Wunde heilen.“ schienen mir zu verheißen, dass Heilung endlich greifbar war. Heilung von der Qual der Sehnsucht.

Homöopathisches Heroin darf in Deutschland nicht verschrieben werden und ich denke, dass es hier aufgrund dessen als Mittel in der Homöopathie nicht allzu bekannt ist. Weitere Leitsymptome sind die wirklich obsessivsten Formen von Liebe. Wird diese Liebe nicht wie erwartet erwidert, leiden Menschen, deren Indikation homöopathisches Heroin ist, unter dem schlimmsten und obsessivsten Liebeskummer, den man sich vorstellen kann. Es ist ein Entzug aus einer manifesten Abhängigkeit. Auch extremes Lügen zählt zu den Leitsymptomen homöopathischen Heroins.

Im Schamanismus sind solch ausgeprägte Formen der Abhängigkeit eine Folge von Seelenverlusten und einer darauffolgenden Besetzung von dämonischen Energien.

Sehnsucht nach der inneren Heimat

Schon als Kind litt ich unter dieser Sehnsucht, die sich wie Heimweh anfühlte und mich innerlich einsam und ungeborgen zurück ließ. Sie schien meinem innersten Kern zu entspringen und hinterließ eine bohrende Leere in mir. Ich hatte keine Worte dafür und da ich in einer Familie aufwuchs, in der Gefühle nicht gezeigt oder thematisiert wurden, blieb ich damit allein und litt schweigend. Ich fühlte mich „nicht richtig“, anders wie alle anderen um mich herum, die scheinbar problemlos funktionierten, weil sie keine so dummen Gefühle hatten wie ich. Und so habe ich meine Sehnsucht, die an die Tür meines Herzens klopfte, zurückgewiesen und mich für mich selber, für das Drängen in mir verschlossen.

Lange Jahre fühlte ich mich unvollständig und suchte unbewusst dringend etwas, was mich vollständig machte. In Beziehungen und mit Substanzen wie Heroin suchte ich im Außen einen Ersatz, um mich selber in mir ganz zu fühlen. In den Anfangsphasen meiner Abhängigkeiten eröffnete sich mir jeweils etwas, was ich in meinem Leben bis dahin immer vermisst hatte: die inneren Begrenzungen schmolzen dahin, der Schmerz verschwand und ich fühlte mich erstmals in meinem Leben vollständig, wohl und richtig in meiner Haut. Ein überaus wohltuendes Seinsgefühl schaffte – vorübergehende – Erleichterung. So versuchte ich mich, meine Seele, zu heilen.

Heute weiß ich, dass ich unter meinem tiefen Verlangen nach meiner eigenen Ganzheit litt, nach meiner – spirituellen – Identität. Dieses tiefe Verlangen ist in jedem Menschen angelegt als die Sehnsucht sich selbst zu verwirklichen. In unserem Inneren gibt es auf der geistig- seelischen Ebene einen Keim, der unser gesamtes Potential enthält. Ähnlich wie in dem

Embryo, der einst unser Körper war, alle notwendigen Informationen gespeichert waren, die zu diesem ausgewachsenen Körper heranwuchsen, mit dem wir heute in der Welt sind.

Wir fühlen dieses Verlangen als Sehnsucht. Sie ist die drängende Kraft in uns, die uns antreibt, unser Potential zu verwirklichen und zu leben.

Unsere Sehnsucht fühlen wir oft als Mangel und als Vakuum. Wir erleben sie als Leid, als Unruhe und Unzufriedenheit. Etwas scheint in unserem Leben zu fehlen und wir suchen es dort draußen in der Hoffnung, mit dem Objekt unserer Begierde auch die ersehnten guten Gefühle zu erhalten.

Als ich meinen Behandler damals um das homöopathische Heroin bat, wusste ich nicht, dass ich die Natur der Sehnsucht noch nicht begriffen hatte. Ich wusste nicht, wie Sehnsucht mich, als mein innerster Antrieb, zu mir nach Hause führen kann.

Der Weg nach Hause

Sehnsucht verbindet uns dann – und nur dann – mit uns selber, mit unserem göttlichen Kern, wenn wir uns erlauben, sie zur Gänze zu fühlen, uns ganz von ihr erfüllen zu lassen. Wenn wir unsere Sehnsucht unterdrücken um nicht zu leiden oder weil wir nicht an ihre Erfüllung glauben, erhöht sich der Leidensdruck immer mehr und wir finden keinen Frieden.

Ich wusste nicht, dass, wenn ich mein Herz für meine Sehnsucht öffne und sie bewusst fühle, etwas für mich vollkommen überraschendes passiert. Ich fühle mich dann mit mir verbundener und in mir selbstverständlicher zuhause. Ich spüre, hier meldet sich ein Teil von mir, der wahrgenommen werden und Gestalt annehmen möchte. Diesem Teil meines Selbst wohnt eine Kraft inne, die aus dem Kern meines Wesens kommt, der nach Verwirklichung drängt. Tief in meinem Herzen weiß ich jetzt, dass sich meine Sehnsucht realisieren und erfüllen wird. Auch wenn mein Verstand keine Ahnung hat, wie das geschehen kann. Diese innere Gewissheit tröstet und schützt mich und schenkt mir – wieder und wieder – Hoffnung und Zuversicht. Ich fühle mich bestärkt, gewinne an Schwung und an Kraft. Genau damit lade ich die Energien des Wandels und der Erneuerung in mein Leben.

In dieser Hinsicht können wir sagen, dass Sehnsucht unser innerster Antrieb ist. Dieses Suchen und Streben treibt uns zur Entfaltung unseres innersten Wesens und damit unseres Potentials. Wir wachsen und entfalten uns wie eine Blüte von innen nach außen. Aufgefordert durch die Sehnsucht nehmen wir dadurch Gestalt an, in dem wir ihr folgen.
Dabei entfaltet sich mein Weg erst unter den Schritten, die ich gehe und in gewisser Hinsicht kann ich sagen, ich bin der Weg, den ich gehe.

Einer Sehnsucht sein Herz zu öffnen, bedeutet eine höhere, eine mystische Ebene einzuschalten. Ich öffne mich darin meiner spirituellen Wirklichkeit und erlebe, wie ich meinen Teil des großen Ganzen, der vorher noch nicht da war und der genau mich braucht, auf Mutter Erde verwirkliche.

In dem ich mich selber mit allem, was ist, wahrnehme und mir zunehmend erlaube, damit da zu sein, erlaube ich auch meinem spirituellen Licht und damit meinem Engel immer mehr, durch mich zu scheinen und zu wirken. „Unter Wunden wirst du Wunder sehen.“ verwirklicht sich darin – Schritt für Schritt – im Laufe meines Lebens.

Wenn ich mir heute bewusst werde, dass mein Engel in mir Platz genommen hat, nehme ich ihn mit meinem ganzen Sein wahr. Ich erlebe seine Präsenz in dem Sehnen meiner Seele, die

mich auffordert, meine Schwingen auszubreiten und zu fliegen. Und ich fühle die Gegenwart seiner Engelflügel gleichzeitig mit dem Druck und den Schmerzen meiner, in meinen Schultern gespeicherten und noch ungeheilten, Lebenserfahrungen. Die Essenz meines Wunders lautet: Ich fliege mit allem, was ich bin und was mich ausmacht. In Freiheit und in Hingabe an mein Leben. Voller Vertrauen, dass es mich trägt.

Unsere Sehnsucht nach Intimität mit uns selber, mit anderen und mit der Welt – sich selber und die Mitwelt im Herzen, dem fühlenden Kern, bewusst wahrnehmen

Die Menschen, die sich von meiner Arbeit angezogen fühlen, teilen die Sehnsucht nach Tiefe, nach Verbindung, bewusster heilender Sinnlichkeit und Selbstwachstum mit mir. Sie möchten sich, so wie ich, für ihr Erleben öffnen, für ihr ureigenes Wesen und ihre Gefühle.

Wir teilen die Sehnsucht, wieder mit dem Leben in Berührung zu gehen – unser Herz zu öffnen und uns wieder berühren zu lassen. Und wir sind bereit, einen weiteren Schritt zu gehen um Wandlung und Heilung in unser Leben einzuladen.